Kalender

Seite aus einem alten Kalender. Gedruckt in roter und schwarzer Frakturschrift. Wir sehen die erste Hälfte des Juni. Linke Spalte: julianisches Datum. Rechte Spalte: gregorianisches Datum. Mittlere Spalte: astrologische Symbole.
«gewülk» am 8. Juni a.S.: Schreibkalender für das Jahr 1662 von Johann Rudolf Geiger, Zürich

Schreibkalender

Schreibkalender waren im 17. Jahrhundert ein Verkaufshit – nur Bibeln und Katechismen wurden in noch grösserer Zahl produziert. Gedruckt in handlichem Format, enthielten sie alle Informationen für den organisierten Menschen der Frühen Neuzeit: den julianischen und den gregorianischen Kalender in Paralleldarstellung, Horoskope, Wetterprognose, medizinische Tipps, regionale Markt- und Postkalender sowie allgemeine Voraussagen für das kommende Jahr. Auch leere Seiten für Notizen waren vorhanden.

In seinem Verzeichnis zählt Norbert Wernicke über 1000 solche Schreibkalender auf – und das sind nur die, die heute noch erhalten sind. In ganz Europa wurden Kalender gedruckt, wobei die astrologischen Voraussagen jeweils für den Publikationsort berechnet waren. Aus der Schweiz sind Kalender aus Zürich, Basel und Rorschach erhalten.

In Band II verlässt sich Cla Jochberg stark auf seinen Kalender; die Vorhersagen für das Jahr 1662 im Buch, wie beispielsweise das gefürchtete «gewülk» am Tag der Aufführung des «Susanna»-Schauspiels, stammen alle aus dem entsprechenden Kalender von Johann Rudolf Geiger aus Zürich. Leider sind von Geigers Kalendern der Jahre 1663, 1664 und 1665 keine Exemplare mehr auffindbar, sodass in den späteren Jahren der Handlung keine Voraussagen mehr vorkommen.

Die Kalender zeigen üblicherweise zwei Spalten für das Datum: eine für den julianischen und eine für den gregorianischen Kalender.

Gregors Datumssprung

Porträt eines vornehmen Herrn mit weissem Bart im Stil des 16. Jahrhunderts. Er trägt einen dunkelroten Mantel und eine dunkelrote Kappe.
Papst Gregor XIII. Porträt von Lavinia Fontana. (Foto: Bridgeman Images)

1582 verordnete Papst Gregor XIII der christlichen Welt eine Kalenderreform. Der Anlass dazu war ein wissenschaftlich-astronomischer: Der davor gültige sogenannte julianische Kalender basierte auf einer zu lang berechneten Jahreslänge, weshalb das christliche Jahr nicht mehr mit dem astronomischen übereinstimmte.

Die Kalenderreform machte einen «Datumssprung» von zehn Tagen notwendig. Bei der Einführung des neuen, «gregorianischen» Kalenders durch die katholischen Kantone der Schweiz im Jahr 1583 folge also beispielsweise auf den 28. Februar der 11. März. Dies sorgte für viel Unruhe, und insbesondere reformierte Gebiete lehnten den neuen Kalender als papistischen Unsinn ab.

Mehr über die Einführung des gregorianischen Kalenders weiss Wikipedia.

Der neue Kalender in Graubünden

Auch im Dreibündestaat wurde der gregorianische Kalender abgelehnt und blieb sogar offiziell verboten. Zur Zeit des ersten Bandes von «Bergünerstein» wurden daher alle offiziellen Dokumente nach dem julianischen Kalender datiert, dem sogenannten alten Stil. Auch die zeitgenössischen Chroniken folgen diesem, mit Ausnahme von Sprechers «Geschichte der Kriege und Unruhen».

Später wurde es in den Bünden üblich, offizielle Dokumente doppelt zu datieren: 5./15. September 1650 zum Beispiel. Aber erst ab 1760 wurde der gregorianische Kalender nach und nach offiziell eingeführt – natürlich von jeder Gemeinde einzeln.

Datum: 2./12. Juli 1664. Abschrift eines italienischsprachigen Briefes der Drei Bünde an den spanischen Gesandten Alfonso Casati (StAGR AB IV 1/32, S. 67)

Wann war der Prättigauer Aufstand?

Die Ereignisse im «Bergünerstein» sind durchwegs im alten Stil datiert. Dies bot in den allermeisten Fällen keine Schwierigkeiten: Es wurde einfach das Originaldatum übernommen oder, falls die Quelle Sprecher war, zehn Tage abgezogen. Nur der Prättigauer Aufstand liess sich nicht so einfach datieren!

Der Aufstand brach im Frühling 1622 aus, am Sonntag 14. April alten bzw. 24. April neuen Stils. In der Literatur wird gemeinhin vom «Palmsonntag, 24. April 1622» gesprochen. Dies ist aber falsch. Denn der besagte Sonntag war nur gemäss dem julianischen Kalender der Palmsonntag. Gemäss dem gregorianischen Kalender war das Osterfest 1622 auf den 27. März (n.S.) gefallen und der Palmsonntag somit auf den 20. März n.S.

Als gute Protestanten verwendeten die Prättigauer den alten julianischen Kalender. Sie erhoben sich tatsächlich am Palmsonntag, aber für sie war es der 14. April, nicht der 24. Für die österreichische Besatzungsmacht hingegen, die wahrscheinlich den gregorianischen Kalender verwendete, war dieser Sonntag zwar der 24. April, aber nicht der Palmsonntag.

Vom «Palmsonntag, 24. April 1622» zu sprechen, ist daher unlogisch.

Literatur

Smith, Kelly M.: The Science of Astrology: Schreibkalender, Natural Philosophy, and Everyday Life in the Seventeenth-Century German Lands. University of Cincinnati, 2018 (erscheint demnächst bei Palgrave McMillan).

Wernicke, Norbert: Kommentiertes Verzeichnis der Schreibkalender des 16. und 17. Jahrhunderts in Schweizer Bibliotheken. Jena, 2012

 

Quellen

Geiger, Johann Rudolf: Alter und neuer Schreibkalender auf den eidgnössischen und der Statt Zürich Meridianum gerichtet. Zürich, 1661. (ZB Zürich, Kal 1910: a=1662; Online auf e-rara: https://www.e-rara.ch/zuz/doi/10.3931/e-rara-59181)